Yoga Aktuell Magazin fragt Coach und Autorin Martina Leisten.
Der Winter neigt sich langsam seinem Ende zu. Und auch wenn es noch ein paar Wochen dauert, so haben wir die manchmal zähe und dunkle Jahreszeit bald überstanden. Mangelndes Sonnenlicht und eine weiterhin andauernde Pandemie haben viele von uns mental herausgefordert. Trübe Gedanken, das Gefühl von Unausgewogenheit oder einfach die generelle Angst vor dem „unsichtbaren Feind“. Gründe für negative Gedanken lassen sich im Außen derzeit reichlich finden. Doch was, wenn es gar nicht der Winter und die Umstände sind, die in uns negative Gedanken oder Gefühle hervorgerufen haben sondern wir selbst? Wäre es möglich, dass da schon länger etwas in uns schlummert, dass sich immer wieder auf´s Neue den Weg ins Freie bahnt und uns mental herunterzieht? Unsere Gedanken bestimmen bekanntermaßen auch unsere Gefühle und wirken sich letztlich auf unser allgemeines Wohlbefinden aus. Es gibt unzählige Arten von Gedanken. Manche denken wir „einfach so“, andere sind notwendig, weil wir vielleicht eine Aufgabe zu erledigen haben und schließlich gibt es auch Gedanken, die wir uns selbst angeeignet oder von anderen erlernt haben und die häufig immer wieder in bestimmten Situationen auftauchen. Letztere nennt man dann Glaubenssätze, die sowohl positiv bejahend als auch negativ einschränkend sein können. Um die Transformation letzterer, also derer, die uns demotivieren und für uns hinderlich sind, wird es hier gehen.
Wer Yoga praktiziert kennt Glaubenssätze zumeist unter dem Begriff der Affirmationen. Unter Affirmationen versteht man klare, positiv und in der Gegenwart formulierte Sätze. Diese dienen dazu, festgefahrene, meist negative Gedankenspiralen durch lebensbejahende Formulierungen zu ersetzen, um so das Unterbewusstsein positiv zu beeinflussen. Beispiele für Affirmationen sind „Ich begegne jeder Situation mit Ruhe und Gelassenheit.“, “Ich bin genug.“ oder „Ich stehe mit beiden Beinen fest auf der Erde.“. Die Einbindung von Affirmationen in die Yogapraxis beschreibt in Kürze das, worum es bei der Transformation negativer Glaubenssätze geht.
Um besser zu verstehen wie man selbst langfristig hinderliche Glaubensmuster transformieren kann, hilft es, sich zunächst die Entstehung negativer Glaubenssätze zu verdeutlichen. Sätze wie „Ich bin nicht gut genug.“, „Ich werde nur geliebt, wenn ich es allen Recht mache.“ oder „Wer Schwäche zeigt, wird ausgenutzt.“ haben unterschiedliche Entstehungsgründe. Sie wurden vielleicht von den Eltern oder Erziehungsberechtigten übernommen, bildeten sich aus eigenen negativen Erfahrungen oder gar Lebenskrisen. Glaubenssätze dienen eigentlich dazu, Informationen rasch und sicher einordnen zu können, um schnell darauf zu reagieren. Einschränkende oder negative Glaubenssätze haben sogar eine gewisse Schutzfunktion. Sie sollen uns vor etwas bewahren oder daran hindern, etwas Unüberlegtes zu tun. Manchmal wollen diese Sätze auch zu Veränderung anspornen. Wer vermeintlich nicht gut genug ist, erhält durch diesen Glauben den Hinweis, noch weiter an sich arbeiten zu müssen. Leider hindern uns diese Art von Glaubenssätzen aber meist auch daran, unsere Wünsche und Ziele zu erreichen. Wie auch soll ein Mensch, der glaubt, nicht gut genug zu sein, sich mutig und selbstbewusst auf den Weg machen und beispielsweise das Wagnis eingehen, ein eigenes Unternehmen zu gründen, wenn dieser Mensch in seinem tiefsten Inneren eigentlich glaubt, nichts auf die Beine stellen zu können? Der negative Glaube über sich selbst führt dann häufig dazu, dass diese Menschen nichts in Richtung Zielverwirklichung tun, sich dann über sich selbst zu ärgern und sich hierdurch den negativen Glaubenssatz selbst bestätigen. Ein negativer Kreislauf entsteht.
Wie kann man diesen Kreislauf langfristig durchbrechen?
Zunächst einmal ist der achtsame Blick in sein Inneres der erste Schritt. In inneren Dialogen sagen wir uns tagtäglich unzählige wichtige und unwichtige Dinge, so dass wir die negativen Glaubenssätze manchmal schon gar nicht mehr bewusst wahrnehmen. In sich hineinzuhören, die einschränkenden Glaubensmuster zu identifizieren und sie auf sich wirken zu lassen ist hierbei der Anfang. Sich zu fragen: „Was macht das mit mir, wenn ich mir sage, dass ich nicht gut genug bin? Welche Gefühle wollen sich zeigen? Traurigkeit, Ohnmacht? Oder gar Wut?“ Alle Gefühle, die mit diesem Glaubenssatz in Zusammenhang stehen, wollen gesehen, gefühlt und im Anschluss akzeptiert werden. Akzeptanz heißt dann wiederum nicht, dass wir sie gut finden müssen. Wir akzeptieren bzw. billigen bloß ihre Anwesenheit anstatt sie wie bislang wegzudrücken. Denn genau dieses Wegdrücken der negativen Gefühle führt dazu, dass der negative Glaubenssatz bislang weiterhin aktiv wirken konnte. Vereinfacht gesagt, wollen die Glaubenssätze erst gehört und anerkannt werden, bevor man sie loslassen und verändern kann.
Auf die Transformation von negativen Glaubenssätzen bezogen bedeutet dies: Erst wenn man ein altes Glaubensmuster wirklich losgelassen hat, entsteht Platz im Inneren für ein neues, positives. Das Loslassen funktioniert hierbei hauptsächlich über das bewusste Fühlen. Viele von uns gehen aber nur über den Kopf und erhoffen sich allein durch den Verstand eine Veränderung im Inneren. Die Transformation geschieht aber hauptsächlich über das Gefühl. Es geht vor allem um die eigene Glaubhaftigkeit bzw. die Frage: „Wie fühlt sich dieser Satz für mich an?“. Wird für mich aus „Ich bin nicht gut genug“ wirklich immer die positive aber vielleicht rein pragmatische Umkehrung „Ich bin gut genug“? Oder fühlt sich für mich ein „Ich bin ein wertvoller Mensch.“ oder ein „Ich zeige mich der Welt genau so wie ich bin.“ vielleicht viel stimmiger an? Die individuelle Transformation negativer Glaubenssätze geht weit über allgemeingültige Statements hinaus. Sie geht in die Tiefe. In das eigene Gefühl hierzu. In die eigene Authentizität.
Konkrete Schritte zur Transformation von negativen Glaubenssätzen
- Achtsamkeit: Nimm wahr, was du dir selbst sagst bzw. was du über dich glaubst
- Zulassen: Nimm die dazu gehörigen negativen Gefühle wahr
- Akzeptanz: Nimm alles an, was sich dir zeigt
- Loslassen: Lass diese Gefühle los und schenke ihnen Freiheit
- Hinterfragen: Stelle die Wahrheit der bisherigen Gedanken in Frage
- Transformation: Verändere nun deine Glaubenssätze und finde deine individuell passende Umkehrung
- Fühlen: Fühle die Veränderung und entdecke deine neuen Möglichkeiten